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Warum Bilderbücher die Eltern-Kind-Bindung stärken

„Schlüsselkinder“. So nannte man in den 50er Jahren die Kinder von Arbeiterfamilien. Mit dem Wohnungsschlüssel an einer reißfesten Schnur um den Hals, trieben sie sich unbeaufsichtigt durch die dreckigen Straßen der Städte. Heute eine für uns schreckliche Vorstellung. So vieles hat sich mittlerweile in unserem Verständnis von Kindheit und Erziehung verändert.

Früher wurden Kinder als unvollständige Erwachsene gesehen. Es wurde ihnen kaum Zuwendung und Liebe geschenkt und sie mussten sich recht früh alleine durchs Leben schlagen. Das Bild vom Kind hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Heute sollen Kinder ihre Kindheit auskosten und genießen dürfen. Sie sollen ihren kindlichen Bedürfnissen entsprechend gefördert werden. Vor allem aber sollen Kinder geliebt und angenommen werden. Ende der 60er Jahre entwickelte der britische Psychoanalytiker John Bowlby (1907-1990) die „Bindungstheorie“. Seit den 90er Jahren nimmt die Beliebtheit der Bindungstheorie stetig zu. Eltern, Psychologen und Pädagogen entdecken immer mehr, wie wichtig eine sichere Bindung für die Entwicklung des Kindes ist. Die aktuelle Forschung zeigt, dass eine sichere Bindung das Grundbedürfnis eines jeden Kindes ist. Sicher gebundene Kinder erreichen nicht nur eine höhere soziale Kompetenz, sie entwickeln sich auch in allen anderen Bereichen wesentlich besser, als unsicher gebundene Kinder. 

Doch was bedeutet eigentlich eine „sichere Bindung“? 

Eine sichere Bindung bedeutet, dass das Kind mindestens eine feste Bezugsperson hat, die zuverlässig für das Kind da ist. Am besten sind dies die Eltern der Kinder. Die festen Bezugspersonen geben dem Kind Annahme, Sicherheit, Geborgenheit, Vertrauen, Wärme, Trost, Zeit und Liebe. Aber sie geben dem Kind auch die Freiheit, sich zu entwickeln, sich auszuprobieren und selbstständig lernen zu können. 

Wie können wir Eltern diese sichere Bindung zu unserem Kind aufbauen? 

Nehmt euch Zeit für euer Kind. Schenkt eurem Kind immer wieder am Tag ungeteilte Aufmerksamkeit. Hört ihm zu. Lernt, es zu verstehen und lernt seine individuelle Persönlichkeit kennen. Erkennt die Bedürfnisse eures Kindes. Habt Anteil an seinem Alltag. Mit wem hast du heute im Kindergarten gespielt? Was hast du in der großen Pause gemacht? Mochtest du dein Pausenbrot? Teilt die Freude eures Kindes. Nehmt aber auch seine Ängste und Probleme ernst und kümmert euch darum. Gebt eurem Kind kindgerechte Freiheiten, aber setzt auch kindgerechte Grenzen. Erlebt gemeinsame Abenteuer, schafft gemeinsame positive Erinnerungen. Gebt körperliche Zuwendung und Nähe. Respektiert jedoch auch die individuellen Grenzen des Kindes. Schafft durch Rituale im Alltag eures Kindes Struktur.Bilderbücher können sehr hilfreich für eine gute Eltern-Kind-Bindung sein. Doch wie funktioniert das?

Gemeinsame Zeit – Ungeteilte Aufmerksamkeit

Schnell noch eine Nachricht auf dem Smartphone beantworten und schnell zum nächsten Termin hetzen. Wir leben in einer stressigen und schnelllebigen Welt. Auch unsere Kinder erleben dies tagtäglich. Umso schöner und wichtiger sind die Momente, in denen wir uns ganz auf unsere Kinder konzentrieren können. Die Momente, wenn wir ihnen unsere ungeteilte Aufmerksamkeit schenken können. Gerade beim Bücherlesen entschleunigen wir und nehmen uns ganz bewusst Zeit für unser Kind. Wir geben ihm unsere ungeteilte Aufmerksamkeit. 

Gemeinsames Vertrauen – Die Welt mit Kinderaugen sehen

Beim Lesen eines Kinderbuches gibt das Kind einen Blick in seine Welt frei. Was entdeckt es auf den Seiten? Was ist ihm wichtig? Wie fühlt es mit den Buchfiguren? Kinderbücher lesen bedeutet also, in die Welt des Kindes einzutauchen. Wir Erwachsenen können durch das gemeinsame Anschauen von Büchern mit unserem Kind die Welt des Kindes mit seinem individuellen Blick sehen. Wir sehen, mit was sich unser Kind gerade beschäftigt, was in ihm vorgeht und was seine Themen sind. Wir Eltern lernen also unsere Kinder besser kennen und verstehen die Bedürfnisse unseres Kindes besser. Dieses Verständnis schafft Vertrauen und Sicherheit.

Gemeinsame Reflektion des Erlebten – Alltagsverarbeitung

Wir kommen von einem anstrengenden Arbeitstag nach Hause. Wir freuen uns, wenn ein Erwachsener zuhause ist, mit dem wir über unseren Tag sprechen können. Kinder verarbeiten Erlebtes meistens anders. Das kommt daher, dass ihnen die Sprache noch fehlt, um sich angemessen ausdrücken zu können. Durch das Spiel, aber auch durch Bücher setzt sich das Kind ganz konkret mit der Welt auseinander und verarbeitet Erlebtes. Das ist elementar wichtig für das Kind, es ist sozusagen eine Art „Psycho-Hygiene“. Kinder wünschen sich, dass wir Erwachsene auch Anteil an dieser Verarbeitung haben. Das bedeutet nicht, dass wir Bücher immer nur zusammen anschauen sollen oder dass das Kind nicht auch mal gerne alleine spielt. Doch es heißt, dass das Kind möchte, dass wir uns ganz bewusst Zeit nehmen. Dass wir gemeinsam mit dem Kind seinen Alltag reflektieren. Beispielsweise eben durch ein Buch. 

Gemeinsame Abenteuer erleben – Erinnerungen schaffen  

Ich erinnere mich noch so gut an ein Buch aus meiner Kindheit, dass mich zum Träumen angeregt hat. Ich erinnere mich auch daran, wie meine Mutter es mir vorgelesen hat. Bis heute liebe ich dieses Buch und die damit verbundenen Erinnerungen. Auch wir können unseren Kindern solche gemeinsamen Erinnerungen schenken. Wir können durch Bücher an Orte kommen, die wir bisher noch nie gesehen haben. Wir können gemeinsam spannende und ganz unterschiedliche Abenteuer erleben. 

Gemeinsames Kuscheln – Nähe durch Körperkontakt 

Wie schön ist es doch, abends vor dem Zubettgehen im warmen Lampenschein zusammen ein schönes Buch anzuschauen und zu kuscheln. Selten ist die Zeit zwischen Kind und Eltern intensiver. Ein Kind braucht das Gefühl, gehalten zu werden und dies im buchstäblichen Sinne. In solchen Momenten fühlt das Kind absolute Sicherheit und Geborgenheit. 

Gemeinsame Rituale – Struktur und Sicherheit geben

Ein Kind braucht feste Rituale, die dem Tag Struktur und damit einen gewissen Anteil an Vorhersehbarkeit geben. So gewinnt das Kind an Sicherheit. Auch durch feste Vorlesezeiten lassen sich super Rituale schaffen, beispielsweise vor dem Zubettgehen. Gerade abends vor dem Schlafen bietet es sich nämlich an, etwas Ruhiges mit dem Kind zu spielen und ihm die Möglichkeit zu geben, seinen Tag zu verarbeiten.

Ich wünsche euch und euren Kindern richtig tolle Buch-Momente zusammen. Vertieft eure Beziehung und schafft gemeinsame Erinnerungen.

 


Die Autorin Sarah Quinger ist Erzieherin mit einem Bachelor in frühkindlicher Erziehung und einem Master in Beratung. Sie arbeitete als Leiterin einer Kita, sowie als Familienberaterin.


 

Literatur

Brisch, K. H., Hellbrügge, T., & Brisch, K. H. (2015). Wege zu sicheren Bindungen in Familie und Gesellschaft: Prävention, Begleitung, Beratung und Psychotherapie. Klett-Cotta.

Fuchs, A., & Miosga, C. (2014). Eltern-Kind-Interaktionen mit Bilderbüchern und / oder Tablet PC? pedocs. Abgerufen 17. März 2022, von http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0111-pedocs-118676

Schmidt, U. C., & Zentrum Für Zeithistorische Forschung. (2016). „Das Problem heißt: Schlüsselkind“: Die „Schlüsselkinderzählung“ als geschlechterpolitische Inszenierung im Kalten Krieg. Einführende Überlegungen zu „Geschlecht“ und „Kalter Krieg“. Massenmedien im Kalten Krieg. AkteureBilder, Resonanzen. https://doi.org/10.14765/ZZF.DOK.1.494

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