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Von Schreckgespenstern zu Kraftquellen — So kann dein Kind emotional wachsen

Emotionen – Der Weg zur mündigen und reifen Persönlichkeit

Sobald Kinder auf die Welt kommen, tasten sie, probieren und sehen. Und es gibt so viel zu entdecken. Alles ist neu. Da helfen Mama und Papa gerne. „Das ist ein Hund!“, jubelt die Mama. Und das Kind freut sich. „Das ist eine Banane! Schmeckt sie dir?“ Bald hat das Kind einen richtigen Schatz an Wörtern für das, was man anfassen, sehen, riechen oder schmecken kann.

Doch wie sieht es mit den Dingen aus, die nicht gesehen, gerochen, geschmeckt, gehört oder ertastet werden können. Neben der äußeren Welt, die wir über unsere Sinne wahrnehmen, gibt es noch eine innere Welt im Kind. Es spürt das Kribbeln im Bauch, wenn es darauf wartet, die Geschenke öffnen zu können. Wenn es etwas angestellt hat, kann es überall hinschauen, nur eben nicht in die Augen von Mama oder Papa. Das schlechte Gewissen drückt, wenn man genau weiß, dass das eben nicht in Ordnung war. Bei Angst pocht das Herz ganz schnell. 

Bunt, schwarz-weiß, leicht, schwer, ziehend, drückend. So sind Emotionen. Sie sind ein Geschenk für jeden, der mit ihnen zu leben gelernt hat. Doch ist es leider auch so, dass Emotionen viele belasten und manch einer würde sie am liebsten in einer Abstellkammer einschließen. Doch jeder, der das probiert hat, wird feststellen, dass Emotionen nicht einfach verschwinden, nur weil man sie nicht haben möchte. Die innere Welt ist nicht weg, nur weil man die Tür abschließt. Sie wird auch nicht weniger bedrohlich, wenn ich mein ganzes Leben darum kreisen lasse. 

Ein wertvolles Geschenk von Eltern an ihre Kinder ist deshalb, diese Welt der Emotionen gemeinsam zu erkunden und Hilfestellungen zu geben, wie wir von ihr profitieren können. 

  • Ein Kind, das weiß, dass es müde wird, wenn viele Menschen um es herum sind, wird sich zurückziehen. Ein Kind, dass das nicht weiß, wird im Karussell der Reize immer überdrehter.
  • Ein Kind, das versteht, dass es darunter leidet, wenn es von anderen abgelehnt wird, kann sich genau überlegen, wo es Freunde findet und welche Menschen es meiden sollte. Ein Kind, das das nicht weiß, wird in Aggression blind um sich schlagen. Als würde es dadurch das schmerzende Gefühl loswerden. Oder es wird zur Marionette der anderen und alles tun, was andere sagen, um dadurch ein paar Tropfen Aufmerksamkeit zu erhalten.Wie kann ich meinem Kind nun beibringen, kontrolliert mit seinen Gefühlen umzugehen?

Damit dein Kind seinen Emotionen profitieren kann, gibt es drei wesentliche Schritte:

Erster Schritt: Gefühle benennen

Jemand sagte einmal: 

Wer Worte für ein Problem gefunden hat, kann es auch lösen.

Und so ist es. Die erste Stufe zur Reife ist, dass wir die verschiedenen Farben der Emotion benennen lernen. Ab zwei Jahren, sagen Fachleute, können Kinder ihre Emotionen Ausdruck verleihen. Aber der Grundstein dafür wird viel früher gelegt. 

Familienklima

In der Familie lernen Kinder einen natürlichen Umgang mit Emotionen.  Wenn diese dort konkret benannt werden, lernen die Kinder ganz nebenbei, ihre eigenen Gefühle zu erkennen und zu benennen.

Ich bin so froh, dass …

Das macht mich traurig…

Mama hat letzte Nacht schlecht geschlafen und fühlt sich …

Ich habe Schmerzen …

Ich bin …

Darüber hinaus können Eltern auch das Verhalten von anderen plausibel machen.

Der Frau ist ganz schön laut geworden, gell? Sie ist sauer, weil …

Coaching

Wer sein Kind beobachtet, wird feststellen, wenn und welche Emotionen es gerade pürt. Zum Beispiel wenn es wie ein Ball durch die Wohnung springt oder sich schlecht gelaunt verdrückt. Hier können Mama und Papa helfen, die Emotionen aufzuspüren und zu benennen. Das geht auch dann, wenn das Kind noch keine eigenen Worte dafür hat.

Schreit das Kind beispielsweise wütend auf, weil der große Bruder es mit Wasser bespritzt hat, können Mama und Papa coachen:

„Dass dein Bruder dich nass gemacht hat dich geärgert, gell?“

Und schon haben wir eine emotionale Farbe benannt. Machen wir das regelmäßig, wächst Schritt für Schritt ein Gefühlslexikon im Kind heran. Durch das In-Worte-fassen entwickeln Kinder ein Wissen über Emotionen. Auf diese Weise können Kinder Situationen voraussehen und angemessen reagieren.

Weitere Möglichkeiten

Mama und Papa müssen aber nicht warten, bis der nächste emotionale Ausbruch kommt. Gefühle können auch auf andere Weise thematisiert und benannt werden. 

  • So kann man mit Handpuppen Emotionen nachspielen und damit auch nachempfinden. Besonders Situationen, die ungerecht sind, haben hier emotional viel zu bieten in Kindern — auch wenn es nur nachgespielt ist.
  • Kindergeschichten sind eine goldene Möglichkeit über die Emotionen der Hauptpersonen zu sprechen. Was haben sie wohl gefühlt, was waren die Auslöser und wie ging er oder sie damit um (Schritt zwei und drei)?
  • Auch wenn Gefühle malen zu den fortgeschritteneren Malstunden gehört, kann man auch mit jungen Kindern viel Spaß dabei haben. Und wenn die Mimik nicht richtig gelingt, kann immer noch Emotion in Farben ausgedrückt werden. Frag doch einmal dein Kind: „Welche Farbe passt am besten zu einem wütenden Elefanten?“, oder „Welche Farbe passt zu einem ängstlichen Kind?“ Im nächsten Schritt wird überlegt, wo im Körper die Emotionen (Wut, Freude, Glück oder Trauer) zu spüren sind. Dies kann genauso auch farblich gestaltet werden.

Wichtig: Gefühle können nicht gewertet werden. 

Wichtig für uns Eltern ist eines zu verstehen: Gefühle sind weder positiv noch negativ. Sie sind einfach da. Es ist nicht etwas, wofür das Kind etwas könnte. Gefühle werden nicht eingeladen. Können wir als Eltern die Gefühle des Kindes nicht nachvollziehen, ist immer mit genauerem Blick zu schauen. Was wirbelt die Gefühle auf? Vielleicht ist ein entspannter Spaziergang zu zweit angesagt. Vielleicht habe ich etwas im Leben des Kindes verpasst?

Erst die Frage, wie mein Kind und ich mit Gefühlen umgeht, kann auf Grund von Sinnhaftigkeit beurteilt oder bewertet werden. Wer das weiß, wird mit seinem Kind fühlen.

Aus der Forschung weiß man:

Die Bedeutung von emotionsbezogenen Erziehungspraktiken wird auch in der Forschung zur Entstehung von psychischen Störungen diskutiert: Erlebt ein Kind, welches temperamentsbedingt Schwierigkeiten in der Emotionsregulation aufweist, beständig, dass seine Eltern auf seine Gefühle unangemessen oder abwertend reagieren, führen diese sogenannten “invalidierenden Erfahrungen” nach Linehan (1993) dazu, dass es seine Emotionen als falsch oder ungültig bewertet, diesen nicht mehr vertrauen kann und Schwierigkeiten hat, seine Emotionen richtig zu benennen und Emotionen zu kontrollieren. (1)

Fazit vom ersten Schritt

Was kann ich also jetzt praktisch tun?

  1. Sorge für eine angenehme offene Familienatmosphäre, in der das Kind Annahme erlebt und Emotionen ausgdrücken kann, egal, wie es sich gerade fühlt.
  2. Beobachte dein Kind und erkenne, wie es sich fühlt. Hilf deinem Kind dann, diese Gefühle sprachlich auszudrücken.

2. Schritt: Auslöser finden

Damit Gefühle nicht wie Schreckgespenster, die unvermittelt auftauchen, durch die innere Welt des Kindes huschen, ist es wichtig, sie zuordnen zu können. Das ist oft die Vorarbeit zur Regulation von Emotionen. 

Wenn mein Kind und ich Emotionen zuordnen können, kann das Kind sagen:

Ich fühle mich so, weil der Junge mir den Bagger weggenommen hat.

Ich fühle mich so, weil meine Freundin plötzlich mehr Zeit mit dem neuen Mädchen verbringt.

Ich bin unruhig, weil der Schultag für mich anstrengend war.

Ich bin verunsichert, weil meine Mama schon länger traurig ist.

Wie kann ich meinem Kind hier unterstützen? Normalerweise wissen wir schon von vielen Situationen, wie sie auf unser Kind wirken werden, weil wir sie selbst erlebt haben oder in unserem Leben beobachten konnten. Das sind die meisten Fälle. Die Situationen kommen mir nicht immer zu Ohren. Aber aufmerksame Eltern bemerken die Spur durchlebter Ereignisse/Emotionen und fragen nach. Einfach ist es, wenn das Kind davon erzählt. Herausfordernd wird es, wenn die Worte nicht aus dem Mund herauskommen. Da hilft nicht drohen oder schreien, sondern nur Zeit und Liebe. Irgendwann kommen die ersten Worte wie verängstigte Welpen aus dem Loch. Wenn der erste nicht geschlagen wurde, bringt erseine Freunde mit. 

Neben dem Zuhören, können Mama und Papa nun helfen, die Emotionen zuzuordnen. Je mehr solche Gespräche stattfinden, desto mehr gewöhnt sich das Kind daran und wird emotional immer seltener aus der Bahn geworfen.

Das Fazit des zweiten Schrittes: Höre dem Kind zu und zeige ihm in seiner Erzählung dessen, was vorgefallen ist, was die Auslöser für seine Emotionen sind.

3. Schritt: Gefühle regulieren

Gefühle haben, wenn ihnen das Ruder überlassen wird, das Potenzial, in Seenot zu führen. Das muss nicht sein. Das Kind kann verstehen lernen: Gefühle gehören zu mir, aber sie sie bestimmen mich nicht. Anders ausgedrückt: Manche Ereignisse lösen in mir Gefühle aus. Aber das Ruder halte ich in der Hand. Und das geht, indem ich das tue, was ein guter Kapitän macht: Er agiert und reagiert. Du kannst deinem Kind die Kapitänsmütze in drei Schritten auf den Kopf setzen:

3.1. Wie kann man reagieren?

Nachdem das Gefühl benannt wurde und evtl. ein Auslöser gefunden wurde, setzt man sich hin und überlegt: Was kann ich jetzt tun? Es gibt viele Möglichkeiten. Manche Möglichkeiten mag man gar nicht aufschreiben, weil sie zwar möglich wären, aber niemals umgesetzt würden. Manche Möglichkeiten sind auch sehr lustig und bringen etwas Lockerheit in diesen Eltern-Kind-Moment.

3.2. Bewerten der Möglichkeiten

Sobald die Liste abgeschlossen ist, kann man gleich alles streichen, was niemals in Frage kommt. Die restlichen versucht man gedanklich mit dem Kind abzulaufen. 

Beispiel: Wenn das Kind also in der Schule beleidigt oder verletzt wurde, könnte es entweder nicht mehr in die Schule gehen, mit keinem Menschen mehr sprechen oder am nächsten Morgen das Kind mit Steinen bewerfen, das beleidigt oder verletzt hat. Wenn man das mal durchdenkt, wird das Kind meist sagen: Wenn ich nicht mehr in die Schule gehe, dann würde das bedeuten, dass ich keine Freunde mehr habe. Und ich lerne auch nichts. Dann bestrafe ich mich ja selbst. Das kann man also streichen. Und dem anderen weh zu tun, der mir weh getan hat, ist auch keine Option. Wenn das jeder täte — das wäre ja fruchtbar. Es wurde keine Liebe durch Gewalt erzeugt. Und eigentlich möchte ich ja, dass wir uns gegenseitig lieben. 

3.3. Die richtige Möglichkeit finden

Im letzten Schritt ist dem Kind eigentlich klar, welche Möglichkeit die beste ist. Dann soll das Kind beherzt losgehen im Wissen, dass Gott die Wege ebnen wird.

Andere Optionen im obigen Fall wären, dass man Böses mit Gutem vergilt. Oder mit der Lehrerin spricht. Was richtig wäre, kann hier nicht pauschal gesagt werden. Soll es auch nicht. Im Gespräch und unter Gebet, wird das Kind bald merken: Okay, das ist das richtige. Ist zwar schwierig, aber ich glaube das ist das richtige. Hier ist es wichtig, dass dem Kind nicht die eigene Meinung aufzudrücken. Das Kind soll sich selbst für das entscheiden, was es für gut und richtig hält. Das ist der Weg zur Freiheit. Für Eltern ist das ein anstrengender Weg, doch am Ende werden sie froh sein, ihn gegangen zu sein.

Noch eine Idee: Eine Liste für alle Fälle.

Viele Ereignisse treffen das Kind unvorbereitet. Aber auf manches kann man sich vorbereiten. 

Hat man beispielsweise ein Kind, das durch die vielen Reize, die es in der Schule mitbekommt, angestrengt wird, dann wird man regelmäßig am Nachmittag Streit erleben. Hier ist es wichtig, dass man einen Anker fallen lässt, einen Ausgleich schafft. Das bedeutet, dass das Kind sich merkt, wie es sich fühlt und wann. Kommt es in diese Situation, zieht es eine Liste aus der Tasche, die es sich vorher aufgeschrieben hat. Dort sind Dinge drauf, die gut tun. Das Kind sucht sich also eines der Dinge aus und tut es.

Was darf auf die Liste? (Natürliche und hingebungsvolle Selbstvergessenheit)

  • Sport
  • Lesen
  • Natur
  • Hobby (Musik, malen, etc.)

Was darf nicht? (Betäubende Selbstvergessenheit)

  • Flucht in Medien

Fazit

Wie kann ich meinem Kind also helfen, seine innere Welt genauso mutig zu erforschen, wie die äußere? Hier der Artikel in vier Schritte gepackt:

  1. Sorge für eine angenehme offene Familienatmosphäre, in der das Kind Annahme erlebt und Emotionen ausgedrückt werden.
  2. Beobachte dein Kind und erkenne, wie es sich fühlt. Hilf deinem Kind dann, diese Gefühle sprachlich auszudrücken.
  3. Höre dem Kind zu und zeige ihm in seiner Erzählung dessen, was vorgefallen ist, was die Auslöser für die Emotionen sind.
  4. Helfe deinem Kind als Kapitän seiner selbst die beste Möglichkeit zu finden, die der Situation angemessen ist.

 


 

Fußnoten

(1) Nantja Otterpohl, Wenn Kinder die Wut packt: Wie Kinder lernen mit ihren Emotionen umzugehen. (The Inquisitive Mind, Url: https://de.in-mind.org/article/wenn-kinder-die-wut-packt-wie-kinder-lernen-mit-ihren-emotionen-umzugehen)

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